Mháire Stritter von Orkenspalter TV hat auf der Gamescom Arto Koistinen, Lead Game Designer vom Entwicklerstudio Random Potion (auf Englisch) interviewt, welches für das neue DSA-Computerspiel Das Schwarze Auge: Book of Heroes (BoH) verantwortlich ist. Der Twitch-Stream findet sich bereits auf Youtube.

Als neuer Botenvogel möchte ich die Chance nutzen, die vielen neuen Informationen aus dem sehr sehenswerten Video mit jenen anzureichern, die bereits vorher bekannt waren. So fließen zum Beispiel Informationen aus dem Mystery-Panel von der Ratcon Limburg in den Beitrag mit ein. Weitere Quellen werden im Text verlinkt.

Wie viel DSA steckt in Book of Heroes?

Laut Aussage der Entwickler und von Ulisses – namentlich Nadine Schäkel und Nikolai Hoch – wird am Ende der Entwicklung so viel DSA im Spiel stecken, wie es geht. Laut Arto wird es jedenfalls „the most Dark Eye game ever“, also das „DSAigste“ PC-Spiel aller Zeiten, wobei er zugeben musste, dass er nur Satinavs Ketten und Blackquards persönlich kennt. Nadine „musste“ Project Scoundrel zunächst Test spielen und war „nach einigen Stunden spielen sofort“ der Meinung, dass das Spiel „wie die Faust aufs Auge“ zu DSA passt. Zwar bildet die Basis des Spiels Random Potions regelsystemfreier Spiel-Prototyp Project Scoundrel („Projekt Schurke“ – seit 2016 in der Entwicklung und auf der Gamescom 2018 für DSA „entdeckt“), jedoch wird das Look & Feel – seit Abschluss der Vereinbarung mit Ulisses im April 2019 – bis zum Release 2020 vollständig auf das bekannte Aventurien angepasst. Alle Ideen und Designs, die Random Potion vorschlägt, werden durch die beiden zuständigen Ulisses-Gotongis überprüft und freigegeben (oder mit Änderungswünschen zurückgegeben). Die Zusammenarbeit wird von beiden Seiten als sehr eng, gut und unproblematisch beschrieben.

Um was für ein Genre handelt es sich bei Book of Heroes?

BoH soll definitiv kein Action-RPG (oder gar Diablo-Klon) werden, sondern ein klassisches, 3D-isometrisches Rollenspiel, dass sich an Klassikern wie Baldur’s Gate, Neverwinter Nights u.a. orientiert. Das Diablo-Missverständnis resultiert aus der Angabe „Action-Rollenspiel“ auf der Internetpräsenz des Publishers Wild River. Gemeint war dies als Abgrenzung von „Echtzeit-“ zu „rundenbasiertem Spiel“. Dies verleitete u.a. aber die Gamestar zu der Annahme, BoH würde ein Diablo-Klon werden.

Anders als in Baldur’s Gate wird es allerdings keine kampagnenartige Story und keine fertigen „gemalten“ Schauplätze geben, die man besuchen kann, sondern einzelne „Orte“ bzw. „Instanzen“. Dies werden meistens Dungeons sein, aber auch an der Oberfläche wird man Abenteuer in Ruinen und Wäldern bestehen können, die ähnlich wie die Dungeons funktionieren. Alle Orte haben gemein, dass sie prozedural generiert werden, d.h. jedes Mal etwas anders aussehen werden, sodass man die Orte auch durchaus öfter besuchen können wird, ohne ein Déjà-vu zu haben.

Wer hierbei an Dungeon Crawler denkt, liegt laut Arto allerdings falsch. Anders als in diesen soll der Kampf in BoH eine untergeordnete Rolle spielen. Random Potion möchte das Gefühl des Tischrollenspiels so nah wie möglich an den PC bringen. Wie bei diesem soll es viele Interaktionen zwischen den Spielern und Rätsel zu lösen geben. Gleichzeitig sollen aber auch Spieler abgeholt werden, die keine Tischrollenspiele kennen. Daher bot es sich an, auf klassische Dungeon-Erlebnisse zu setzen. 

Welche DSA-Regeln verwendet Book of Heroes?

Das Spiel verwendet v.a. die Regeln des Grundregelwerks, aber auch ein paar Erweiterungsregeln. Was nicht im Spiel benötigt wird, wurde allerdings konsequent herausgestrichen. „Boote fahren“ bspw. wird in einem Spiel, in dem man keine Boote steuern kann, auch wenn im Spiel gemäß Screenshots einige zu sehen sein werden, nicht benötigt. Laut Heldenbogen im Trailer könnte es 18 Talente geben, 8 Nah- und 2 Fernkampf-Fertigkeiten, Vor- und Nachteile (wohl bis zu 3) sowie Kampfsonderfertigkeiten. Die 8 Eigenschaften sind alle mit an Bord, ebenso die bekannten abgeleiteten Werte.

Als Spezies für Heldinnen und Helden sind Menschen, Elfen, Halbelfen und Zwerge enthalten. Es gibt 12 Professionen, darunter Krieger, Geweihte der Rondra – da sie einer Art Paladin oder Kleriker zumindest nahe kommen -, Söldner, Meuchelmörder, Weißmagier – aber keine Geoden ;). Die Charaktererstellung ist als „Kartenspiel“ mit den neuen Inrah-Karten von Katharina Niko aufgebaut. Dazu kommen auch Punkte wie die Herkunft, seine Wertevorstellungen und das persönliche Ziel oder Streben des Charakters, seine Mission. In jedem Schritt wird man aus 4 zufälligen Optionen wählen können, die man aber immer neu „ziehen“ können wird, bis schlussendlich der Charakter spiel-bereit ist. So wird man viel Variation in der Charaktererstellung haben.

Wie soll sich Book of Heroes spielen?

Das Spiel beginnt im Wirtshaus zum Schwarzen Keiler, der den Spielern als Zentrale (Hub) dient und wohin man nach jedem Abenteuer zurückkehrt. Dort kann man Aufträge annehmen, um dann zu Abenteuermissionen aufzubrechen und zu neuen Orten zu reisen. Diese Aufträge sind nicht immer eindeutig und geben bspw. an, dass man „bei alten Ruinen“ nach etwas suchen sollte. Man bricht also dann zu Orten auf, wo man diese zu finden glaubt. Zudem kann man im Wirtshaus andere Helden sowie KI-Begleiter treffen und in die Gruppe aufnehmen, dort bei Händlern einkaufen und seine Charaktere steigern. Letzteres wird wohl auch über die Inrah-Karten abgebildet und auch während der Abenteuer möglich sein, wenn man rastet. Auch weitere Features könnten im Wirtshaus noch dazukommen.

Alle Charaktere im Spiel haben einen individuellen Hintergrund und verfolgen eigene Ziele bzw. haben eine Mission (bspw. wurden die Eltern des Helden von einem finsteren Gegenpart getötet oder die Heldin will die größte Schwertkämpferin werden), die sich auch auf die einzelnen Abenteuer auswirken. Man wird dort bspw. Briefe finden können, die die eigene Geschichte fortführen und den Helden dem eigenen Ziel näher bringen oder seltene Waffen finden. Die Abenteuer orientieren sich auch stark an den Fähigkeiten der Charaktere, sodass es Rätsel geben wird, die die Runenkenntnis des Zwergs oder die Zaubersprüche der Magierin in der Gruppe erfordern. Zudem werden die Abenteuer auch umfangreicher, wenn man mit mehreren Spielern spielt und beinhalten mehr „Räume“ bzw. v.a. Begegnungen, welche durch Gegner (u.a. Orks, Goblins, Oger, Golems, Untote), Rätsel, Fallen, NPCs usw. repräsentiert werden. Jeder Held soll so seine ganz speziellen Momente bekommen – das Spiel übernimmt somit quasi die Rolle des Spielleiters. Es gibt also bei weitem nicht nur Kämpfe in BoH, aktuell integrieren Random Potion immer mehr neue Nicht-Kampf-Aktionen ins Spiel. Dies war im Übrigen auch der meistgenannte Wunsch auf der Ratcon. Auf Gamersglobal wird hierzu ein Beispiel von der Gamescom gebracht, wo man Orks, die einen Hesinde-Geweihten gefangen hielten, mit Bier abfüllen konnte, anstatt sie zu bekämpfen.

Die Kämpfe laufen in Echtzeit, basieren aber auf Cooldowns (d.h. Aktionen laden sich wieder auf) die aktuell 4 Sekunden lang sind (was sich bisher als ideal herausgestellt hat) und die sich an den DSA-Kampfrunden orientieren. Der Kampf soll dadurch eher taktisch geprägt sein, also kein wildes Klicken erfordern. Im Einzelspielermodus (mit bis zu 3 zusätzlichen, autonomen KI-Söldnern) wird es eine Pausenfunktion geben, im Multiplayermodus (2 bis 4 Spielerinnen und Spieler; mit Chat-Funktion) hingegen nicht – damit das Spiel für alle flüssig bleibt. Man wird auch die Würfelwürfe sehen kann, so tauchen wohl kleine W20-Symbole über den Helden auf, wenn im Hintergrund gewürfelt wird. Zusätzlich wird es auch ein Kampf-Protokoll mit allen gewürfelten Werten geben. 

BoH wird im Mittelreich spielen (den Kartenausschnitt zeigt bspw. die Gamestar), v.a. im Kosch und in den Nordmarken. Arto will aber nicht ausschließen, dass man sich in Einzelfällen von Ulisses die Freigabe holt, auch Orte außerhalb dieser Regionen einzubinden. Definitiv wird man viele bekannte Orte (vermutlich sind hiermit aber eher „Regionen“ als Städte gemeint) besuchen und auch bekannte Persönlichkeiten treffen können. Es spielt zudem in der aktuellen Zeit, also nach 1040 BF. Es ist nicht per se kanonisch angelegt, darf aber nichts beinhalten, was dem DSA-Kanon widerspricht und wird durchaus mit einigen Elementen – z.B. über den Aventurischen Boten – auch in die offizielle Geschichte einfließen können.

Insgesamt wird man sich rund 20-40 Minuten an den jeweiligen Orten aufhalten, d.h. man will die einzelnen Abenteuer relativ kurz halten – in der Mystery Keynote sprach man hingegen von 1-3 Stunden je Abenteuer). Jedes Abenteuer wird für sich eine abgeschlossene Geschichte darstellen. Das verbindende Element werden die Geschichten und Motivationen der Helden sein. Hierzu dient wohl eine Art Abenteuer-Tagebuch als „Quest-Log“. Es gibt keine feste Reihenfolge, in der die Abenteuermissionen erledigt werden müssen, aber es gibt leichtere und schwerere Abenteuer und man muss abwägen, wann man welches angeht. Durch das prozedurale Design „leveln“ die Abenteuer zudem – bis zu einem bestimmten Grad, d.h. Goblins bleiben Goblins – mit den Helden mit, sodass sie herausfordernd bleiben. Wie viele Abenteuermissionen es geben wird, steht noch nicht fest. Arto geht aber grob von 20-30 aus, wobei sich diese – wie oben bereits erwähnt – in Abhängigkeit der gewählten Charaktere verändern und jedes Mal ein bisschen anders ausfallen.

Wie sieht Book of Heroes aus?

Screenshots – allerdings alle noch Work in Progress! – findet ihr u.a. bei Wild River, 4Players und Nerdy Bookahs sowie Unity Connect (Bilder des Prototypen). Bewegte Bilder könnt ihr im offiziellen Trailer begutachten.

Für die musikalische Untermalung wird übrigens Winifred Phillips sorgen, welche bereits God of War, Assassins Creed III: Liberation und die Little Big Planet-Reihe auditiv erlebbar gemacht hat.

Welche Technik wird vorausgesetzt?

BoH wird nach jetzigem Stand nur für Steam erscheinen und nur für PC. Dies kann sich aber bis zum Release bzw. je nach Erfolg des Spiels auch noch ändern. Man benötigt keinen Highend-Rechner, die Anforderungen kann man auf der Steam-Seite sehen. Die Grafikdetails sind auf schwächeren Rechnern reduzierbar.

Es wird kein eigener Server benötigt. D.h. ein Spieler kann einladen und hostet das Spiel dann auf seinem Rechner. Es könnte noch eine Möglichkeit kommen im LAN zu spielen. Dies wollte man aber noch nicht zusagen.

Welchen Background haben Random Potion und Arto Koistinen?

Arto Koistinen ist kein DSA-Experte – er kennt Satinavs Ketten und hat sich inzwischen begeistert durch die bisherigen englischen DSA-Bände gelesen –, aber er spielt seit 30 Jahren P&P. Er hat kein favorisiertes System, aber begonnen hat er mit Rune Quest und kam danach zu D&D. DSA erinnert ihn in vielen Punkten an Rune Quest. Er mag eher regelarme Storyteller-Spiele, daher auch der Designansatz seines Entwicklerstudios. Am liebsten ist er in seinen Runden als Spielleiter unterwegs. Aber er fand es zur Abwechslung auch schön, auf der Ratcon mal als Spieler in einer Runde von Jeanette Marsteller in Aktion treten zu können. Die Ratcon hat ihn zudem an die Rollenspiel-Conventions erinnert, die er auch aus Finnland kennt. So konnte er sich schnell akklimatisieren.

Vor Random Potion hat er bereits rund 10 Jahre Handyspiele („Javagames“ noch zu Nokia-Zeiten) programmiert. Außerdem unter anderem Spiele für Star Wars und Wall-E, PuzzleQuest, Rimelands (inspiriert von HeroQuest) und Trouserheart stehen ebenfalls in seinem Lebenslauf. Artos Ansatz ist es übrigens ein Spiel zu entwickeln, ohne dabei seine Leute zu verheizen – somit will er auch die finale crunch time, also die heiße Zeit, kurz bevor das Spiel fertig ist, im Rahmen halten.

Das junge Indie-Entwickler-Team Random Potion besteht inzwischen aus 10 Leuten. Bevor sich daraus ein DSA-Spiel entwickelt hat, waren es noch 6. Einige von ihnen spielen aktiv Rollenspiele, interessiert sind an der Thematik aber definitiv alle im Team. Random Potion hat sich auf die Fahnen geschrieben, mit seinen Spielen „kooperatives, soziales Spielen“ zu unterstützen. Damit sollen Teamwork, Kreativität, gemeinsame Problemlösungen, positive soziale Interaktion und charaktergesteuertes Rollenspiel gefördert werden. Erreichen will man dies auch durch die prozedural generierten Spielinhalte, die direkt auf die Helden eingehen. Für Project Scoundrel suchte man gezielt ein richtiges P&P-Regelwerk und ist froh, dieses mit DSA gefunden zu haben. 

Was gibt es sonst noch zu wissen?

Die Reaktionen der Presse auf der Gamescom waren bisher positiv und Arto ist gespannt auf erste Artikel. Videos zum Spiel kommen noch, aber da vieles an der Grafik noch nicht fertig ist und diese derzeit noch aufpoliert und aventurisiert wird, hält man sich hierbei noch zurück. Um nichts zu verpassen, sollte man am sich am besten in die Mailingliste eintragen (dort gibt es auch die 2. Seite des exklusiven Comics von Elif Siebenpfeiffer) und Random Potion auf Twitter, Facebook und Co. folgen. Auf der Gamescom kann man eine frühe Version des Spiels aber wohl schon in Aktion erleben.

Das Spiel erscheint im Frühling 2020 (Q2/2020) als Steam-Titel mit vollem Umfang, d.h. nicht als Free2Play- oder mit Minitransaktionen. Erweiterungen in DLC-Form schließt dies allerdings nicht aus. BoH ist in den Augen des Publishers nur der Anfang einer neuen DSA-Spiele-Reihe. Für Nachfolger wären nach Ansicht des Producers Michael Hengst (Mr. „out of goal – out of time – out of budget“ – früher Redakteur der Power Play und Fan der Nordlandtrilogie) auch – auf Nachfragen der DSA-Fans – ein Dungeonmaster-Modus oder ein Level-Editor denkbar – Arto selber verneinte dies erst einmal.

Ob es eine Boxed-Version und/oder gar eine Collector’s Edition geben wird, konnte Arto nicht sagen, da dies Ulisses zu entscheiden hat. Abgeneigt war man dem auf der Ratcon aber nicht.

Quellen: Twitch, Youtube (Gamescom-Interview, Ratcon Interview, Mystery Panel, Trailer), Random Potion, Wild River, 4Players, Nerdy Bookahs, Unity Connect, Gamersglobal, Project Scoundrel